rébelle sans raison

Ein Internetbuch

 

 
 

Dieses Buch ist nicht schön, aber
es wird nötig, ist eher schonungslos
und manchmal auch böse, vulgär &
obszön.

Es ist interaktiv und somit nicht
leicht zu lesen und nicht einfach
zu verstehen. Doppelsinnigkeit
ist hier stets beabsichtigt.

Für Kinder ist es nicht geeignet,
aber es wurde für meine Kinder
geschrieben.

Burkhard Sellke, Frankfurt am Main, im November 2010

 

 

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[ANNOTATION:

BY 'Burkhard Sellke'
ON '2010-11-20T18:15:39'
NOTE: 'Start am 12.11.2010']
Der Beginn -

Sie war eine Landpomeranze aus Albig – nein eher ein Dummerchen vom Lande  – oder vielmehr doch eine richtige Rebellin, zu ihrer Zeit um Silvester 1960, ihrer Zeit vielleicht zu weit voraus: Mit Kaugummi, Kaffee, Zigaretten, Lippenstift, Schokolade, Nylons, Parfüm, ungeschütztem Sex, mit 20, noch nicht volljährig und ein paar Brocken Englisch im Nachkriegsdeutschland der späten Fünfziger und frühen Sechziger.

„Tanzen – ich will tanzen: Rock 'n' Roll, Boogie Woogie, Schlager, Hits“ – dachte Sie. Sie fuhr mit den besten Freundinnen nach Kaiserslautern! Tanzen! Silvesternacht! Neujahr! Winter und stiller kalter Schnee. Das langweilige Weihnachtsfest mit Familie abschütteln, alles wegtanzen! Der Sex mit dem amerikanischen GI Jim aus Texas1 im Amischlitten auf dem Waldparkplatz nach der Disko zwischen K-Town2 und Alzey war gut – echt gut – befreiend – befriedigend anders - und die vielen Liebesschwüre - „I love you“ und Catholic Girls. Do you know how they go?3- Die Freunde waren bereits vorausgefahren und zu Hause angekommen. Diese Neujahrsnacht blieb aber folgenreich.
Hey – was für ein GI? Hey – es war lausig kalt! Hey – was eine große Scheiße! Sie und ihr Sohn Harry passte in keines der gewohnten Schemen – weder ins Verlierer-Nazi-Deutsche, noch in typische US-Besatzer-Schema! Eine Frau macht nicht mit Fremden oder Ausländern oder gar Siegern herum! Nicht in den Sechzigern des vorigen Jahrhunderts, nicht nach einem verlorenen Krieg, nicht auf dem platten pfälzischen Land. Und Kerle aus den USA sind ja nur für einen überschaubaren Zeitraum in Deutschland stationiert und wieder weg! Da benimmt Mann sich, wie Mr. Nice Guy, im Ausland! Es gibt auch moralische Regeln, aber keiner guckt hin. Und wenn auch – nach 12 Monaten war alles ausgestanden – zurück in Roxy & Elsewhere4! Keine Verpflichtungen, keine Verantwortung, keine Unterhaltszahlung, kein schlechtes Gewissen,  no problem!

- Zäsur -

Ich – Sohn Harry Pellmann5 – war also reichlich fehl am Platz und für eine rechtzeitige Abtreibung war meine Mutter6 zu sehr christlich, zu ländlich, zu doof, zu abhängig, zu jung mit knapp 21, zu arm oder es war einfach wiedermal viel zu spät! Aber ihr eigenes Leben war kaputt, zerstört und im soziofamiliären Umfeld einfach unerträglich. Ihre Familie, ihre Freunde und ihre Umgebung waren schon während unsere Schwangerschaft voller Unverständnis, Hass und Ekel! Kein Vater! Keine Heirat! Keine Mitgift! Eine Hure – ein billiges Flittchen – eine Besatzerschlampe – oder vielleicht nur eine, die es eh nicht schafft – die nichts zustande bringt! Für den Rest des Lebens als Verliererin abgestempelt! Für den Rest ihres Lebens7 öffentlicher, hämischer, tumber Schande ausgesetzt!
Und ich? Sie wollte wohl, dass es mir besser geht – klar Mütter sind so! Tot oder lieber lebendig? So saß ich mit drei Monaten im Zug, alleine, ausgesetzt und hilflos unterwegs nach Kaiserslautern. „Bye Bye Mama!“ Aber ich lebte noch, ich lebe deswegen und ich landete im Kinderheim8 in K-Town und meine Mutter wurde, von Amts wegen9 gezwungen, mich zur Adoption freizugeben.

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[ANNOTATION:

BY 'Burkhard Sellke'
ON '2010-11-20T18:16:31'
NOTE: 'fortgesetzt am 20.11.2010']
Adoption -

Wir haben seit einigen Jahren einen Kater, der auf den Namen Nero10 hört. Nero kam aus einem Tierheim11, saß in einem Käfig und wurde von Ayk und Biggi als kompatibel empfunden und deswegen als Haustier ausgesucht. Was Nero dabei empfunden haben mag, eingesperrt zu sein und von irgendwelchen, ihm unbekannten Menschen als Lieblingskater auserkoren zu werden – nobody knows the trouble he has seen!?

Ich - Harry - saß im Kinderheim, mit 3 Monaten sicherlich recht ahnungslos was mit mir passieren würde. Ob mir bewusst war, dass mein Säuglingsleben besser anders verlaufen wäre oder hätte anders verlaufen können? Hätte ich mir das damals schon wünschen dürfen? Ich habe es schlicht vergessen. Nein - verdrängt habe ich es nicht!

Da saß ich nun – eines hässliches, schreiendes und nässendes Kleinteil12 mit großen Augen und übergroßen Ohren – zum fünften13 Vorstellungsgespräch. Schwester S.14 sage mir, dass Ingrid und Günter kommen würden und ich solle schön brav sein und mich von meiner Schokoladenseite zeigen! „Sonst wird' s nix mit der Adoption!“ War das eine Drohung?
Ingrid15 – nicht sehr groß – so um 1 60, dunkelhaarig und etwa 36 Jahre alt. Begleitet von Günter16 – deutlich größer, etwa 1 80, blond und wohl gleich alt.
Beide hatten sich mächtig herausgeputzt – man ist schließlich wer – oder will es zumindest noch werden! In den Wirtschaftswunderjahren ist schließlich nichts unmöglich17. Günter trug – wie zu vielen Anlässen später auch – vermutlich seine schicke BGS18-Ausgehuniform.
Inge, eine Tochter aus wohlbehütetem ostpreußischem Landadel Nähe Königsberg19 und Insterburg20,
[ANNOTATION:

BY 'Burkhard Sellke'
ON '2010-11-20T22:04:04'
NOTE: 'Nochmal bei Horst Dörfer Lebenserinnerungen nach lesen!']
besuchte die höhere Schule in Königsberg, hatte eine Kammerzofe 21und eine Magd22, lernte das Spiel des Pianoforte, war intelligent und ein Landei! Das absehbare Ende des 2. Weltkrieges und somit von Nazi-Deutschland war für sie - als 20-jährige junge Frau - eine unendliche und unausweichliche Krise: Verbunden mit Flucht, per Kutsche, zu Fuß, mehrfacher Vergewaltigung, unerträglichen Entsagungen, Hunger und Kälte und den Verlust dessen, was wir gerne „Jugend“ oder „Unschuld“ nennen. Ankunft in West-Trümmer-Deutschland 1946, Auffanglager Friedland! Von da, geht es über Umwege, nach Berlin.
Günter und sein Bruder Manfred haben während ihre Sturm- und Drangzeit23 als Fallschirmspringer, mit 18, für das bekloppte faschistische Nazi-Deutschland den Arsch hingehalten und zum Dank ein Paar Granatsplitter abbekommen. Beide waren biedere Söhne des Stettiner Bahn-Beamtentums! Und was wird später aus solchen provinziellen Beamtensöhnen?  Na - Beamten natürlich – Manfred später fest installierter Sesselpupser bei Siemens in Berlin Siemensstadt24 – Günther dann verbeamtet beim para-militärischen Bundesgrenzschutz. Günter kam schließlich nach dem Krieg 1945 in russische Gefangenschaft in Sibirien, arbeitete in einem Bergwerk, wurde Obersteiger25 und konnte sich mit knapp Dreißig endlich nach West-Deutschland zurückschlagen. In dieser 10-jährigen Zeitspanne während des Krieges und in der Kriegsgefangenschaft würde man heute locker das Abitur und ein Studium – wahlweise der Rechtswissenschaften oder des Journalismus hinlegen. Er nicht – aber er hätte es gerne gewollt! Und ich bin mir sicher, er hätte es auch geschafft – aber es war zu spät! Irgendwie landet er Anfang der 1950-er – wie Inge in Berlin.
Beide werden in Berlin also bald ein Paar und heiraten26 und Inges erste Schwangerschaft ging wohl in die Hose27. Deswegen wird nicht lange herum gemacht und „neumodisch“ adoptiert28 – den „in vitro“29, das Leben aus der Pertrischale, gibt zu dieser Zeit noch nicht.
Inge jobt als Krankenschwester „Schwester Inge“ in der Charité30 und als Günter sich dem BGS als Arbeitskraft zur Verfügung stellt, sollte das Verbleiben in Berlin stark in Frage gestellt sein: Entmilitarisierte Zone31! Es geht nach Emden32 die Seegrenze zur Nordsee schützten und von dort über Birkenfeld33 nach Nennig34 an der Mosel. Und Inge wird Hausfrau – ein Beruf, eine Berufung, der sie nun wirklich nicht gewachsen ist. Sie ist absolut unterfordert.
Also – auf nach Kaiserslautern und ein Baby35 gucken gehen... jetzt stehen sie vor mir.
Hätte ich das süße Babylachen noch eine Weile unterdrücken sollen? Schließlich wollten ja auch noch die Mustermanns36 vorbeischauen, Erika und Max, ein kinderloses Ehepaar aus München, das auch sein Glück in der Adoption suchte, weil es beim Sex nicht recht klappen wollte.
Wäre dann vielleicht alles ganz anders gekommen37? Ich weiß es nicht, ich hatte wohl nur diese eine Chance gehabt! Es ging nicht anders!
Inge und  Günter sind vollen Mutes, geben Gas: Erst die Pflegschaft für den kleinen Harry, dann den Adoptionsantrag, an ein paar höheren, wichtigen Stellen kratzen und Katzbuckeln und Speichellecken – ja das konnten beide recht gut! Auch das Arschkriechen hatten Sie in den schlimmsten Zeiten während und nach dem 2. Weltkrieg38 perfektioniert.


... to be continued

©2010 Alle Rechte Burkhard Sellke, Frankfurt am Main

1Dieser Name ist frei erfunden, der Echte ist mir nicht bekannt, meiner Mutter vielleicht auch nicht...

2Unter amerikanischen Soldaten hatte sich die Bezeichnung K-Town für Kaiserslautern durchgesetzt.

3Frank Zappa, Album: Joe's Garage, Song: Catholic Girls, 1979

4Frank Zappa, Album: Roxy & Elsewhere, 1974

5Mein erster Vor- und Zuname war also Harry Pellmann, geboren am 30. September 1961 22:50 in Kaiserslautern

6Ihr voller Name und Adresse war zu meiner Geburt: Ursula Elfriede Martha Pellmann, Hausgehilfin, protestantisch, Albig im Kreis Alzey, Heidenpfad 4. Zur Zeit meiner Adoption im Juli 1963 wohne sie in Ramstein, Hubertusstr. 3. Sie wurde am 4. März 1941 in Breslau geboren. Breslau war zu dieser Zeit die Haupstadt von Niederschlesien und somit Bestandteil des deutschen Nazi-Reiches. Der Musiker Frank Zappa s.o. ist übrigens ein Jahr älter als sie.

7Laut Inge (s.u.) sei sie angeglich früh verstorben, falls nicht:
[ANNOTATION:

BY 'Burkhard Sellke'
ON '2010-11-20T18:14:41'
NOTE: 'Ob ich mich da mal melde?']
Telefonbuchrecherche Nov. 2010
   +Pellmann Ursula,
Schedlichstr. 8, 01129 Dresden, Telefon: 0351 8 48 32 00
   +Pellmann Ursula,
Spielstr. 2, 04435 Schkeuditz, Telefon: 034207 7 15 80
   +Pellmann Ursula,
Wester 17, 48351 Everswinkel, Telefon: 02582 95 29
   +Fuß Rainer u. Pellmann-Fuß Ursula,
Münsterstr. 53, 45711 Datteln, Telefon: 02363 35 61 10
8
[ANNOTATION:

BY 'Burkhard Sellke'
ON '2010-11-20T21:31:27'
NOTE: 'Ob das zu meiner Zeit schon existierte konnte ich nicht errurieren.']
Im Internet wird eine Kinderheim in Kaiserslautern angezeigt.

9Alle Dokumente von meiner Geburt bis zur Adoption und meinem neuen Namen Burkhard Ulrich Günter Sellke liegen vor.

10Ein European Black Magic

11
[ANNOTATION:

BY 'Burkhard Sellke'
ON '2010-11-20T18:45:45'
NOTE: 'dem Tierheim in Offenbach? Biggi fragen...']
???wo kam Nero her?

12Ganz schön nette Umschreibung für ein Baby – oder?

13Oder war es das Siebte? Ich weiss es einfach nicht mehr!

14Frei erfunden in Anlehnung an das Synonym von Sabrina Setlur dem Aushängeschild der ehemals Rödelheimer Musik-Schmiede von Moses Pelham. Nein! Diese Musik mag ich nicht sonderlich! Und mittlerweile sind die auch von Rödelheim weggezogen.

15Voller Name: Ingrid Helene Auguste Sellke, geborene Doerfer, geboren am 4. Januar 1924 in Insterburg/Ostpreußen, verstorben am 9. Mai 2008 in Wadern, Rufname Inge, wohnhaft zu dieser Zeit in Nennig, Sinzerstr. 28 (Diese Straße/Gasse ist wohl mittlerweile umbenannt worden!)

16Voller Name: Günter Karl Willi Sellke, geboren am 3. Juli 1924 in Stettin/Pommern, verstorben am  30. Dezember 1997, in Trier, wohnhaft zu dieser Zeit siehe oben Ehefrau Inge(14)

17Toyota

18Der Bundesgrenzschutz (BGS) in Deutschland hatte ursprünglich nur den spezialpolizeilichen Auftrag der Grenzsicherung. Seit Juli 2006 in Bundespolizei umbenannt.

19Damals Ostpreußen, heute Kaliningrad, russich

20Damals auch Ostpreußen, heute Tschernjachowsk, russisch

21s.a. Zofe

22s.a. Dienstmädchen

23als junge Erwachsene

24Im Heidewinkel

25Aufsicht im Bergbau

26Eheschliessung mit Inge am 3. Januar 1953 im Rathaus Schöneberg zu Berlin

27Dieses Geheimnis hatte sie – trotz vielfacher Nachfragen – unbeantwortet mit in ihr Grab genommen.

28Begründung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen den annehmenden Eltern und dem fremden Kind

29Im Reagenzglas gezeugte Kinder sog. "Fertilisation"

30Charité - Universitätsmedizin Berlin, eine gemeinsame Einrichtung der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin

31Alliierter Kontrollrat

32Stadt Emden in Ostfriesland

33Birkenfeld an der Saargebietsgrenze, das erst 1957 als Saarland der Bundesrepublik Deutschland beitrat

34Nennig hat den größten römischen Mosaikfußboden diesseits der Alpen und liegt gegenüber dem hübschen luxemburgischen Städtchen Remisch

35Frank Zappa, Baby Snakes, live in München 1978

36Erika und Max Mustermann, die sind nicht tot zu kriegen!

37And now for something completely different
[ANNOTATION:

BY 'Burkhard Sellke'
ON '2010-11-20T20:35:30'
NOTE: 'Oder vielleicht in deutsch?']

38Zweiter auf globaler Ebene geführte Krieg aller Großmächte im 20. Jahrhundert